ER – Unvorbereitet in Nepal

Blick vom Flieger: Nepal beheimatet acht der zehn Höchsten Berge der Welt

Blick vom Flieger: Nepal beheimatet acht der zehn Höchsten Berge der Welt

Nur der erste Monat unserer Weltreise war geplant. In Russland wusste ich schon vorher, wo wir hinfahren würden, was es wo zu sehen gibt. In der Mongolei und in China hatten wir noch einen Reiseführer. Immerhin. Nepal erkunden wir jetzt blind. Für mich ein Experiment.  

Linksverkehr: Der Blick aus dem Bus in Kathmandu

Linksverkehr: Der Blick aus dem Bus in Kathmandu

In Russland hatte ich oft ein „Oh, das kenne ich von Fotos“-Gefühl. Die Aufnahmen der Bahnhöfe hatte ich alle in Blogs gesehen. Wenn wir aus dem Zug stiegen, sagte ich „dahin“, ich hatte mir die Karte angeschaut, kannte den Weg. In unserer ER-SIE-Weltreise bin ich es, der gerne vorbereitet ist. In Nepal will ich mal schauen, wie es ist, das mal nicht zu sein.

In der Königsstadt Bhaktapur

In der Königsstadt Bhaktapur

Ich bin überrascht von mir selbst, dass ich mir erst in Chengdu in China, einen Tag vor Abflug, die Wettervorhersage für Kathmandu anschaue. 27 Grad. Irgendwie 20 Grad wärmer als erwartet. Nepal, das sind weißbedeckte Berge, Achttausender, ewiges Eis, Höhe und Kälte.

Landen in den Tropen

Nach sieben Tagen im tibetischen Teil Sichuans hatte ich mich auf Temperaturen um den Gefrierpunkt eingestellt. Den Kamelhaar-Pulli aus Ulaanbaator immer dabei. Geschlossene Schuhe, Jeans.

ER und SIE in der alten Stadt, dessen Marktplatz von Tempeln umgeben ist

ER und SIE in der alten Stadt, dessen Marktplatz von Tempeln umgeben ist

Wir landen in den Tropen. Die Luft ist feucht, die lange Kleidung klebt. Der erste Eindruck: Indien. Die Gerüche von Räucherstäbchen und Masala. Die Frauen mit hinduistischem roten Bindi auf der Stirn. Und, wieder nicht daran gedacht: Linksverkehr, natürlich. Im Hostel die nächste kleine Überraschung: Es sind Ferien, der Koch ist für ein paar Tage bei seiner Familie im Dorf, es gibt nur ein Gericht.

Hätte es was geändert, ich hätte davon gelesen? Wahrscheinlich nicht. Und doch ist da so ein Gefühl, das mitschwinkt. Nicht vorbereitet sein, heißt etwas verpassen können. 

Eine echte Stadt, 82.000 Einwohner. Zugegeben: Wir haben uns in den Gassen verlaufen

Eine echte Stadt, 82.000 Einwohner. Zugegeben: Wir haben uns in den Gassen verlaufen

SIE hatte irgendwo gelesen, dass die Altstadt von Kathmandu so schön sein soll, die junge Frau von der Rezeption schreibt ihr den Namen „Bhaktapur“ auf. Mit dem Stück Papier in der Hand fragen wir uns zum Busbahnhof durch, eine knappe Stunde fährt uns der klapprige Tata-Bus durch die Stadt, hält alle paar Meter, um noch einen Gast in den Gang zu quetschen.

Dann winkt uns der Bus-Junge, der das Geld einsammelt, raus. Wir sind da. Unfassbar diese Stadt, fast unverändert seit Jahrhunderten, die alten Bauten, die 82.000 Menschen, die in den engen Gassen leben, die Tempel-Anlagen.

Ein Baby mit geschminkten Augen - durchs Weinen verwischt

Ein Baby mit geschminkten Augen – durchs Weinen verwischt

Unfassbar auch, dass der Eintritt für uns zusammen fast 30 Euro kostet. Ich hatte mich nicht informiert, sonst hätten wir wohl den gesamten Tag dort verbracht und wären nicht erst nachmittags hingefahren.

Vorbereitungen aufs Trekking: Null

Unsere einzige vagen Vorstellungen von Nepal: Dort kann man gut wandern. Wir haben gehört, besonders um Pokhara soll es schön sein.

Unvorbereitet schön: Vorne Bambus, hinten Himalaya

Unvorbereitet schön: Vorne Bambus, hinten Himalaya

Ich prüfe das nicht, wir fahren los, knapp acht Stunden gen Westen. Wir zahlen 700 Rupies, zu viel, doch das wissen wir zu diesem Zeitpunkt nicht.

Ein ganzen Tag im Ruderboot auf dem See. ER am Paddel

Ein ganzen Tag im Ruderboot auf dem See. ER am Paddel

Was ich auch nicht ahnte: Die kleine Stadt liegt wunderbar umgeben von zwei Reihen Bergen. Die erste Reihe ist grün, mit Bäumen bewachsen, an der einen Flanke steht eine weiße Stupa auf dem Gipfel. Dahinter ragt das Himmalaya-Gebirge mit dem Annapurna – einer der tödlichsten Achttausender der Welt. Unten in der Stadt auf nicht mal 800 Metern spiegelt sich der gefährliche Gipfel im ruhigen Wasser des Phewa-Sees.

Gefährlicher Balanceakt: SIE steht im wackeligen Ruderboot

Gefährlicher Balanceakt: SIE steht im wackeligen Ruderboot

Mein erstes Positiv-Gefühl: Unvorbereitet sein heißt auch tief getroffen von der Schönheit des Neuen zu sein.

Von Pokhara aus wollen wir trekken, zum Annapurna Base Camp auf 4100 Metern soll es recht einfach sein, manche nehmen ihre Kinder mit, dann können wir es auch schaffen. Wir haben keine Wanderschuhe, keine Multifunktionshose, keine Ahnung, wie schwer oder kalt es wird. Doch wir denken, wenn wir nicht mehr weiter kommen, steigen wir wieder ab. Ganz einfach unvorbereitet wie wir sind.

Und dieses neue Gefühl schwingt mit: Mal schauen. Mal schauen, wie der Ausblick wird, und mal schauen, ob es schöner ist, nicht vorbereitet zu sein. 

Epilog 

Hier sollte der Text eigentlich zu ende sein. Und genau dann fängt es an zu regnen.

Dauerregen in Pokhara: SIE mit improvisiertem Regenschutz

Dauerregen in Pokhara: SIE mit improvisiertem Regenschutz

Zwei Tage lang. Ein Zyklon hat Indiens Ostküste getroffen, die Ausläufer bringen Nepal tropische Regenstürme. Unmöglich, so zu wandern. Egal, wie vorbereitet und ausgerüstet man ist.  Dafür ist Zeit, Berichte über den Wanderweg zu lesen. Es ist machbar, wir kaufen uns noch Handschuhe und Regencapes.

Und es ist Zeit, den Reiseführer für unser nächstes Ziel Myanmar zu studieren. Ich habe ihn schon zur Hälfte durch, die Visas online bestellt und Busverbindungen nach Bangkok gecheckt.

Irgendwie spießig beruhigend. 

 

 

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