Das wird die Statistik verhauen: Normalerweise ziehen wir alle 2,6 Tage um. Jetzt sind wir sesshaft geworden. In Antigua lernen wir Spanisch, zwei Wochen Intensiv-Kurs.
Nach sechs Monaten als Nomade freue ich mich auf eine kleine Portion Beständigkeit. Die Kleidung liegt gefaltet im Regal, der uns als Schrank dient. Normalerweise ziehe ich das nächstbeste T-Shirt aus dem Rucksack, das, was oben liegt. Morgens kann ich jetzt auswählen, was ich anziehe. Und greife doch nur einfach nach dem T-Shirt, das oben auf dem Stapel liegt. Aber ich könnte…
Nach einer Woche im Herzen Guatemalas haben wir ein bisschen Routine erlebt. Und die geht so: Um kurz vor sieben Uhr klingelt der Wecker, anziehen, fertigmachen, um 7.15 Uhr gibt es Frühstück. Wir wohnen bei einer Familie zu Hause, das kam als Paket mit dem Sprachunterricht. Drei Mahlzeiten, ein Zimmer, geteiltes Bad, kein Wort Engisch.
Um kurz vor acht geht’s zu Fuß zu dem Garten, in dem unsere guatemaltekische Lehrerin an ihrem Stammplatz, einem grünen Plastiktisch, auf ihrem Hocker auf uns wartet. Es folgen vier Stunden Face-to-face-Unterricht, nur um zehn Uhr gibt’s eine kurze Pause. Fast wie Schule, nur dass wir dafür zahlen, was die Motivation um ein Vielfaches steigert.
Um punkt halb eins deckt die Mutter des Hauses den Tisch. Sie ist das Klischee einer lateinamerikanischen Mamma. Ein gütiges Lächeln im furchenreichen Gesicht, sie steht zu fast jeder Tageszeit vor dem Herd und trägt immer ihre blau-weiß-karrierte Schürze.
Am Montag redeten wir nicht, wir zeigten aufs Essen und sagten „mhmmm“. Am Freitag können wir ihr immerhin sagen, wie gut sie kocht, wie lieb sie ist, dass wir viel lernen. Im Vergleich zu den 75 regulären und 50 irregulären Verben, die wir uns jeden Nachmittag von zwei bis sechs Uhr reinprügeln ist das eine magere Konversation. Aber wir haben ja noch eine Woche.
Nach dem Abendessen um halb sieben fragen wir uns noch gegenseitig ein wenig ab, bis wir k.o. einschlafen. Und um kurz vor sieben klingelt wieder der Wecker.
Irgendwie langweilig schön – im Vergleich zum Weltreise-Alltag. Und gleichzeitig so ein aufregend anderes Lernen. Im Vergleich zum Zuhause-Alltag.
Wir sitzen im Garten der Sprachschule umgeben von Bananenstauden und Tropenblüten. Plötzlich ein Donnern. Es klingt wie ein Lkw, der zu schnell über eine Bodenschwelle fährt und dessen Ladung sich hallend verrückt.
Die Sprachlehrerin Aurora schaut zu uns auf: „un erupción“. Es ist das Donnern des Vulkans Fuego. Der Feuer-Vulkan ist einer von dreien, die Antigua umgeben. Es ist aktiv, mehrmals am Tag spuckt er seine Aschewolke in die Luft. Für die Einheimischen nicht mehr als eine Randnotiz im Alltag. So wie ein Hupen der Schiffe im Hamburger Hafen im deutschen Alltag einfach eine Gegebenheit ist, etwas, das da ist, das man nicht mehr wahrnimmt.
Für mich ist jedes Donnern, jede Aschewolke die Erinnerung daran, dass dieser vermeintliche Alltag hier etwas ganz Besonderes ist. Teil unserer Reise, Teil des Traums, den wir uns gerade erfüllen.