Knapp neun von zehn Indonesiern sind Muslime. Auf der Insel Flores, östlich von Bali, sind dagegen über 90 Prozent der Menschen katholisch, eine Folge der portugiesischen Missionierung im 16. Jahrhundert. Hier Weihnachten zu feiern, heißt abseits des Konsum-Wahns des Westens in einer gläubigen Gemeinschaft die Geburt Jesu zu ehren – bei über 30 Grad unter Palmen eine ungewöhnliche Besinnung.
In der weißen Kirche in Kewapante bei Maumere im Norden der Insel ist an Heiligabend jeder Platz besetzt, gut 1200 Gläubige drängen sich auf die Holzbänke der Kirche. Vor den Eingängen stehen Mütter mit ihren Kindern und junge Männer, die dem Chor lauschen. Viele wedeln sich Luft mit ihren Fächern zu. In der Krippe stehen Maria und Joseph neben dem Heiland, sie haben die Züge der Menschen auf Flores, Haut wie Kupfer, freundliche, dunkle Augen.
Die Musik ist rhythmischer als in Deutschland, Mädchen tanzen mit Hüftschwung Richtung Altar. Es ist Weihnachten auf Flores, und die Klänge passen zu dem tropischen Wetter. Während in Deutschland wegen der Säkularisierung immer weniger Menschen auch zu Weihnachten in die Kirche gehen, ist Religion auf der Blumen-Insel mit ihren rund eine Million Einwohnern ein religiöses Großereignis.
„Wir hoffen nicht auf weiße Weihnachten, höchstens auf trockene“, sagt Pater Heinrich Bollen, 85 Jahre, seit 1959 in Indonesien für die Katholische Kirche. Er liest Kindermesse am ersten Weihnachstfeiertag. Vorne haben die jungen Chorsänger rote Weihnachtsmann-Mützen aufgesetzt, sie singen mit erstaunlich vollen Stimmen „O Holy Night“ und „Angels We Have Heard on High“ – es hat etwas von Gospel, aber verspielter, unbekümmerter.
Pater Heinrich Bollen leitet über eine Stiftung den Sea World Club bei Maumere, 66 Betten auf internationalem Niveau, eine Rarität auf der Insel. Und: Jeden Monat fließt ein Großteil der Einkünfte in soziale Zwecke. So nützt jede Übernachtung unmittelbar einem Kinder- oder Behindertenheim aus der Umgebung.
Die Chorleiterin, höchstens 12 Jahre alt, schwingt die Arme zum Takt der Musik – und passt auf, dass niemand beim Kanon seinen Einsatz verpasst. Die Weihnachtsgeschichte auf Indonesisch verstehen die Handvoll internationale Gäste nicht, aber das aufrichtige Lächeln der Einheimmischen spricht seine eigene, unmissverständliche Sprache.
Die Gläubigen reichen sich die Hand, rechts, links, nach hinten, sagen „Selamat Natal“, „Frohe Weihnachten“; und sie meinen es ernst. Nach einer Messe kann man als ausländischer Tourist schnell 50 Hände schütteln, so sehr freuen sich die Menschen hier, einen westlichen Touristen zu sehen, so rar ist das Erlebnis noch. Während die Touristen-Hochburg Bali für das Jahr 2015 mit 3,5 Millionen Besuchern rechnet, schafft es nach Flores gerade einmal ein Bruchteil davon. Unbedingt sollte man aber nicht nur Maumere besuchen, sondern auch nach Moni zu den Kelimutu-Kraterseen: Auf dem Gipfel des Vulkans sind drei Seen, die ihre Farbe wechseln- wegen der Vulkanaktivität.
Besonders der Besuch der Kleinstadt Ruteng lohnt sich. Katholische Nonnen bieten ein schönes Zuhause auf Zeit im „Kongregasi Santa Maria Berducacita“ und mit ein bisschen Glück trifft man Einheimische, die einen spontan nach Hause einladen. Schnell kniet man im einfachen Steinhaus auf einer Strohmatte am Boden und darf traditionelle Küche probieren. Willkommen in der indonesischen Gastfreundschaft.
Zurück im Sea World Club sind selbst die einfachsten Zimmer luxuriöse Holzbungalows, Marke Detailverliebt. Das Moskitonetz hat mehr von Himmelbett als von Mückenschutz, das Badezimmer allein ist größer als die meisten Zimmer, die man auf Flores bekommt. Am Strand ruht man sich auf den Liegen aus, in der genüsslichen Gewissheit, dass es mindestens 25 Grad wärmer und 100 Prozent stressfreier ist als zuhause. Dabei sind es die kleinen Sachen, die den Besuch unvergesslich machen.
Da ist der eigens aus Denpasar, Bali, importierte Christstollen, der morgens nach Heiligabend auf dem Frühstücks-Buffet ausliegt. Da sind der liebevoll geschmückte Weihnachtsbaum, die Krippe mit Joseph, Maria und Jesus – die unbenommen asiatisch mit blinkenden LED-Lichtern verziert ist. Und da ist nicht zuletzt das traumhafte Weihnachts-Menü am Heiligabend, fangfrischer Fisch, Meeresfrüchte, Hummer zu den Klängen eines ganzen Orchesters Holzxylophone.
Auf Flores Weihnachten zu feiern ist das unvergessliche Erlebnis des Fests in der Ferne – international, ungewöhnlich und wie zu Hause zugleich.
Mit Unterstützung vom Sea World Club.
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